Zirkadianer Rhythmus: Deine innere Uhr

Warum tendieren wir eigentlich dazu eher spät zu Bett zu gehen und morgens zu verschlafen? Und warum ist der Jetlag, wenn wir nach Amerika reisen nicht so schlimm, wie wenn wir nach Russland fliegen? Der zirkadiane Rhythmus (auch circadiane Rhythmik: cR), unsere innere Uhr, ist ein Biorhythmus und gibt einen inneren 24-Stunden-Takt vor, der den Tagesablauf von Mensch und Tier maßgeblich beeinflusst. Einen Einblick darin, wie er genau funktioniert und was passiert, wenn unsere biologische Uhr nicht intakt ist, gibt dieser Artikel.

“Everything in the universe has a rhythm, everything dances.” 

Maya Angelou

Die innere Uhr: Warum gehen wir eigentlich oft zu spät ins Bett?
Die innere Uhr: Warum gehen wir eigentlich oft zu spät ins Bett?

Wir tanzen alle zum gleichen Beat

Ebbe und Flut wechseln sich innerhalb von etwa 25 Stunden zwei Mal ab. Das hängt zu einem großen Teil mit dem Mond zusammen. Ein Mondphasenzyklus von Neumond zu Neumond beträgt in der Regel 29,5 Tage. Der Mond kreist nämlich um die eigene Achse und auch um die Erde. Die Erde braucht übrigens 23 Stunden und 56 Minuten, um sich einmal um sich selbst zu drehen und dann kreist sie dabei auch noch um die Sonne. Dafür braucht sie ein Jahr. Das Universum scheint einem Rhythmus zu folgen und jedes Element tanzt dabei im eigenen Beat. Und so beeinflusst der Beat eines Elements ein anderes Element. So dirigiert und tanzt das Universum also vor sich hin. Und wir? Wir tanzen auch. Die Neuronen in unserem Gehirn schwingen zum Beispiel und mit jedem Atemzug weiten sich unsere Lungen und ziehen sich dann wieder zusammen – mal schnell, mal langsam, aber immer folgen sie dabei einem Rhythmus – den unserer inneren Uhr.

Fast alle physiologischen Funktionen unterliegen dem sogenannten zirkadianen Rhythmus (cR)

Im Gegensatz zu den beschriebenen Umweltrhythmen werden die Rhythmen, die von einem Lebewesen aus gehen, als Biorhythmen bezeichnet. Auch der Schlaf-Wach-Rhythmus, Schlafstadien, Bewegung und Sprache gehören dazu. Diese Rhythmen betreffen nicht nur uns Menschen, sondern sind auch bei Tieren und Pflanzen zu finden. So sind Eichhörnchen in der Regel tagesaktiv, Rotwild ist besonders während der Dämmerung aktiv und Hamster sind bekanntlich nachtaktive Tiere. Weiterhin lassen sich Biorhythmen nach ihrer Länge unterteilen. So wird die circadiane, infradiane und ultradiane Rhythmik unterschieden.

Die cR, unsere innere Uhr, bezieht sich auf einen inneren 24-Stunden-Rhythmus. Das beste Beispiel ist der Schlaf-Wach-Rhythmus des Menschen, aber auch der vieler Tiere. Infradiane Rhythmen sind deutlich länger, wie zum Beispiel der Vogelzug und der Winterschlaf bei anderen Tieren. Auch der weibliche Menstruationszyklus gehört zu der Kategorie der infradianen Rhythmik. Ultradiane Rhythmen sind hingegen deutlich kürzer als der 24-Stunden-Rhythmus. Ein leicht nachvollziehbares Beispiel ist wohl der Herzschlag. Ein Herz schlägt in der Regel zwischen 60 und 100 Mal die Minute, das sind 100.000 Herzschläge pro Tag. Aber zurück zur cR, um die es in diesem Artikel gehen soll…

Die innere Uhr: Wieso uns eigentlich eine Stunde am Tag fehlt

Schlägt man “circadiane Rhythmik” im Lexikon nach, steht da so etwas wie “[eine] 1954 von F. Halberg eingeführte Bezeichnung für eine biologische Dynamik, die durch endogene Oszillationen metabolischer oder physiologischer Aktivität oder des Verhaltens mit einer Periodizität von ungefähr 24 (20-28) Stunden verursacht wird”. Damit ist gemeint, dass die Schwingungen innerhalb des Körpers entstehen und nicht äußerlich “angestoßen” werden. Durch diese Schwingungen kommt es dann zu Aktivität. Nahezu alle körperlichen Funktionen unterliegen der circadianen Rhythmik, so auch die Körpertemperatur und der Cortisol-Spiegel. Spannend ist, dass (Tages)Licht zwar einen Einfluss als Zeitgeber hat – das ist gerade jetzt im Übergang zur Herbst/ Winterzeit wieder zu spüren – allerdings bleibt der Zyklus auch dann erhalten, wenn Licht als Taktgeber fehlt. Das weist daraufhin, dass die Rhythmen und Länge des Zyklus biologisch determiniert sind.

Funfact: Auch ohne externe Zeitgeber, wie zum Beispiel Tageslicht, steuert die cR unsere sogenannte “biologische Uhr”. Allerdings folgen Menschen natürlich (ohne externe Informationen) eher einem 25-Stunden- als einem 24-Stunden-Rhythmus. Deshalb tendieren wir eher dazu immer etwas später zu Bett zu gehen und aufzuwachen. Auch verkraften wir einen Jet-Lag in Richtung Westen (der Tag bekommt zusätzliche Stunden) besser, als eine Reise in Richtung Osten (der Tag verkürzt sich).

Der Hypothalamus stellt eine wichtige Quelle für die cR dar. Der dort lokalisierte suprachiasmatische Kern (engl. suprachiasmatic nucleus, kurz: SCN) gilt damit als einer der Schrittmacher des cR bzw. der inneren Uhr. Es wird davon ausgegangen, dass es noch weitere innere Uhren im System des Menschen gibt, die unabhängig oder auch unter Einfluss des SCN arbeiten. Dieser Kern hat gerade einmal eine Größe von < 0.3 mm3. Untersuchungen haben gezeigt, dass sie bei elektrischer Stimulation des Kerns die cR verschiebt. Bei Läsion des SCN werden körperliche Funktionen und Verhalten, wie Schlaf-Wach Rhythmus oder Hunger maßgeblich beeinflusst.

Was passiert, wenn die innere Uhr aus dem Takt kommt

Nicht nur eine physische Verletzung, z.B. des SCN, kann zu einer Störung der cR führen. Auch äußerliche Faktoren, wie Schichtarbeit, Lichtmangel im Winter und künstliche Lichtreize, wie zum Beispiel durch Mobiltelefone, Fernseher und Computer, am Abend führen kurz- oder langfristig zu einer Beeinflussung des Biorhythmus. Folge sind häufig Schlaf- und Essstörungen sowie Leistungseinbrüche und Energieverlust bis hin zu depressiven Verstimmungen und psychischen Erkrankungen. Äußerlich können beschleunigte Altersprozesse und Übergewicht die Folge sein.

Was wir tun können & was gerade in der Welt passiert

Es lohnt sich daher die innere Uhr durch aktive Maßnahmen zu unterstützen. Die beste Möglichkeit ist es dabei, Schlaf- und Essrhythmen beizubehalten. Die Zeiten des Zubettgehens und Aufstehens am Wochenende sollten sich daher nicht zu sehr von den Zeiten unter der Woche unterscheiden. Insgesamt sollte aber darauf geachtet werden, dass der Körper täglich ca. 8 Stunden Schlaf bekommt. Weiterhin sollten Mahlzeiten regelmäßig eingenommen werden, das hilft der Verdauung und dem Schlaf-Wach-Rhythmus. Gerade in der Winterzeit sollte die Licht- sowie Vitamin-D-Zufuhr aktiv geregelt werden. Das einfachste Mittel ist es, während der Sonnenstunden mehr Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Das lässt sich durch Spaziergänge während der Mittagspause und am Wochenende integrieren. Auch Tageslichtlampen können unterstützend wirken. Bevor Präparate eingenommen werden, die den Vitamin-D-Haushalt regulieren, sollte Rücksprache mit einem Arzt gehalten werden, um zu überprüfen, ob tatsächlich ein Vitamin-D-Mangel vorherrscht. Nicht Zuletzt sollte am Abend der Gebrauch von elektronischen Medien eingegrenzt werden, die artifizielles Licht (Blaulicht) abgeben und damit den Melatoninspiegel senkt. Melatonin ist auch als Schlafhormon bekannt, das der Körper vermehrt zum Abend hin ausschüttet und das für eine wichtige Rolle für erholsamen Schlaf und somit die innere Uhr spielt

Übrigens ging der diesjährige Nobelpreis für Medizin an eine Gruppe von Forschern aus den USA, die wichtige Erkenntnisse zu der Kontrolle der cR durch molekulare Mechanismen lieferten.

Weitere Quellen: https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/circadianer-rhythmus/2197

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