Was ist Altruismus? Ein Mythos oder gibt es das wirklich?

Altruismus: Anderen zu helfen ist eine bewusste Entscheidung, die man
jeden Tag treffen kann. Jemandem auf der Straße Geld zu geben, einem älteren Menschen über die Straße zu helfen, im Supermarkt etwas für jemanden aus dem Regal zu holen…. All das sind Beispiele für altruistisches Verhalten. Gibt es denn echten Altruismus, oder stehen am Ende immer eigenen Motive dahinter? Stellen wir andere an erste Stelle und handeln wirklich uneigennützig? Oder haben wir irgendeinen Nutzen davon, altruistisch zu handeln? Wenn ja, was? All diese Fragen versuchen wir im folgenden Artikel zu beantworten.

“Every man must decide whether he will walk in the light of creative altruism or in the darkness of destructive selfishness.” -Martin Luther King Jr.

Altruismus: Anderen zu helfen
Altruismus: Anderen zu helfen

Was bedeutet Altruismus?

Altruismus wird als uneigennütziges Verhalten definiert, welches zugunsten einer anderen Person gezeigt wird und nicht im Zusammenhang mit dem eigenen Wohlbefinden steht. Das sind großzügige Verhaltensweisen, Nettigkeit und Hilfsbereitschaft. Das Wort Altruismus stammt aus dem Latein, alter bedeutet “der Andere”.

Was ist Altruismus?

Altruistisches Verhalten sind selbstlose Taten, welche das Wohlbefinden anderer vor das eigene stellen und keine Gegenleistungen erwarten. Das kann jegliches Verhalten sein, von einer kleinen Hilfe im Supermarkt oder einer Knochenmarkspende. Altruismus wird von manchen Leuten als vorteilhaft für beide Seiten angesehen. Beispielsweise kann man als freiwilliger Helfer im Krankenhaus arbeiten, zieht selbst daraus dann den Vorteil es als Plus auf dem Lebenslauf stehen zu haben, was bei jeder Bewerbung gut ankommt. Was ist der Unterschied zwischen Empathie und altruistischem Verhalten?

Empathie ist das Verstehen der Perspektive des Gegenübers, beziehungsweise die Fähigkeit sich in seine Situation zu versetzen. Empathie setzt den Fokus mehr auf die Emotionen. Das Wort Empathie stammt aus dem Griechischen und lässt sich auf die Wörter em– und pathos zurückführen, die “Gefühle” und “Emotionen” bedeuten. Wie bereits erwähnt, basiert der Altruismus nicht auf Emotionen. Wenn aber jemand Empathie zeigt wird neurologisch das Emotionszentrum im Gehirn aktiviert. Es besteht aus der Amygdala, der Insula und dem Striatum. Dabei gibt es sogar spezielle Neuronen, die bei Empathie feuern: sogenannte Spiegelneuronen. Spiegelneuronen helfen Emotionen nachzuempfinden, die man bei anderen sieht.

Wie sieht Altruismus aus?

Nimm an, du fährst an einem regnerischen Tag mit dem Auto die Straße entlang und entdeckst auf einmal ein Auto, das umgekippt auf der Fahrbahn liegt. Automatisch fährst du rechts ran und rennst zum Auto, um zu helfen. Das wäre ein Beispiel für Altruismus, manche würden es auch als selbstlos oder einen Akt der Nettigkeit bezeichnen. Das ist ein extremes Beispiel, aber altruistisches Verhalten zeigen wir die ganze Zeit. Soziale Projekte durch Geld oder Hilfe zu unterstützen, gilt als altruistisch. Ein anderes Beispiel wäre beispielsweise die Spende einer Niere oder von Knochenmark.

Wie wird Altruismus in der Gesellschaft aufrecht erhalten?

Die Gesellschaft trägt dazu bei, dass bestimmtes Verhalten gezeigt, gefördert und aufrechterhalten wird. Darunter ist auch der Altruismus. Soziales Engagement und Freiwilligenarbeit machen sich heutzutage sehr gut im Lebenslauf und können einem Türen öffnen. Macht es altruistisches Verhalten weniger altruistisch? Gehen wir zurück zu dem Beispiel des Autounfalls. Wahrscheinlich wird in der Lokalzeitung und anderen Plattformen über diesen Fall berichtet. Das altruistische Verhalten könnte sogar als heldenhaft angesehen werden. Die Gesellschaft lobt und fördert altruistisches Verhalten tagtäglich, sodass anderen zu helfen einem selbst hilft.

Wieso Altruismus? Biologische Argumentation

Altruistisches Verhalten steht in Zusammenhang mit Empathie. Es hat einen starken Einfluss darauf, ob Altruismus gezeigt wird. Die Basis der Sympathie und moralischer Anliegen führt zu altruistischem Verhalten.

Wenn man Altruismus zeigt, fühlt man sich energetischer und erfüllter. Das gleiche Gefühl tritt auch auf, wenn man jemanden anderen sieht, wie er altruistisches Verhalten zeigt – dank der Spiegelneuronen. Obwohl Altruismus und Empathie nicht das Gleiche sind, sind sie miteinander verbunden.

Wieso zeigen wir altruistisches Verhalten? Evolutionäre Sicht

Menschen sind nicht die einzige Spezies, die altruistisches Verhalten zeigt. Bestimmte Fledermäuse helfen sich untereinander indem sie Blut erbrechen und es anderen Fledermäusen geben, die in jener Nacht nicht erfolgreich Blut saugen konnten. Oder auch die südliche Grünmeerkatze, eine Primatenart. Wenn Gefahr droht stoßen sie einen Schrei aus, um andere zu warnen, bringen sich selbst dadurch aber gleichzeitig in Gefahr. Auch bei Insekten wird Altruismus gezeigt: bei Insekten Kolonien steht das Leben der König von dem eigenen Leben. Sie stellen Futter bereit, beschützen das Nest und kümmern sich um die Larven. Aber wieso tun Tiere das? Wieso sollten sie anderen helfen und dabei selbst einen Nachteil von sich tragen?

Altruismus
Altruistisches Verhalten: Eine Grünmeerkatze stößt einen Warnschrei aus

Charles Darwin prägte den Begriff der natürlichen Selektion, “the survival of the fittest” (das Überleben des Stärksten). Laut dieser Annahmen verhalten sich Tiere so, dass sie selbst einen Vorteil haben und ihr eigenes Überleben sichern. Über Zeit und Spezies hinweg wurde diese Annahme bestätigt. Wieso sollten Tiere also altruistisch handeln, wenn es doch so weit weg vom Ideal der natürlichen Selektion ist? Was gewinnen Tiere aus evolutionärer Sicht durch altruistisches Verhalten? Haben sie denn etwas zu gewinnen?

Sowohl Mensch als auch Tier zeigen kooperatives Verhalten seit Anbeginn der Zeiten. Dieses Verhalten hat also zum Erhalt der Spezies beigetragen. Auf individueller Ebene ergibt das keinen Sinn. Wenn Individuen Altruismus zeigten, würden sie nicht überleben.

Wie konnte sich altruistisches Verhalten also bis zur heutigen Generation durchsetzen?

Wenn sich viele Individuen altruistisch verhalten, wird das zum Vorteil der gesamten Gruppe. Diese Art des selbstlosen Verhaltens trägt zum Überleben der Gruppe bei. Das wird Gruppenselektion genannt und hilft, weiteres altruistisches Verhalten zu generieren. Das Phänomen der Gruppenselektion galt zunächst als schwach und Biologen waren unsicher, ob es evolutionäre Ziele hat. Was häufig bei der Eigengruppenselektion auftritt, ist die Idee “des Überlebens von innerhalb“, bei welcher die Mitglieder möglicherweise durch die anderen Individuen der Gruppe ausgenutzt werden, die sich nicht altruistisch verhalten. Die egoistischen Individuen können Profit aus dem altruistischen Verhalten der anderen schlagen, ohne irgendwelche Kosten aufwenden zu müssen. Das kann dazu führen, dass die gesamte Gruppe aufgrund eines einzelnen Individuums unter Angstsymptomen und Stress leidet. Selbstaufopferung und Altruismus helfen nicht dem einzelnen Individuum, können aber in größeren Maßstäben, wie auf der Gemeinschaftsebene helfen.

Die Verwandtenselektion oder Sippenselektion ist die erweiterte Theorie der natürlichen Auslese, die 1964 durch William Hamilton entwickelt wurde. Dabei gingen sie einen Schritt weg von der Gruppenselektion und konzentrierten sich darauf, wie Altruismus sich innerhalb einer Sippe oder Familie entwickeln kann. Individuen zeigen eher altruistische Verhalten innerhalb ihrer Sippe, als außerhalb. Der Grad an Altruismus hängt von der Stärke der Beziehung ab. Dadurch können die altruistischen Gene innerhalb der Sippe von Generation zu Generation weitergegeben werden. Diese Theorie ergibt Sinn, wenn man aus Sicht der Genetik argumentiert. Das Ziel der Gene ist es, weitergegeben zu werden und in die nächste Generation zu gelangen. Foster et.al postuliert, dass bei den Insektengemeinschaften die Verwandtenselektion den Haupterklärungsansatz für die Entwicklung von Altruismus darstellt.

Gibt es echten Altruismus?

In der Friends-Folge “Harte Bedingungen” behauptet einer der Charaktere namens Joey, dass es keine selbstlosen Handlungen gebe und fordert Phoebe heraus. In dem folgenden Video könnt ihr sehen, wie sie versucht ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

Nach all diesen Informationen: kann man davon ausgehen, dass es wahre altruistische Handlungen gibt? Es konnte belegt werden, dass es eine evolutionäre und biologische Basis für altruistisches Verhalten gibt, aber ist es wirklich selbstlos? Es gibt Menschen, die nicht an so etwas glauben und der Meinung sind, dass jeder -egal ob bewusst oder unbewusst- etwas tut um sich selbst zu helfen. Ob es dabei um Anerkennung geht, sich gut fühlen zu wollen, oder die Vorstellung, dass die andere Person einem nach der geleisteten Hilfe etwas schuldet… Auf der anderen Seite ergibt sich die Frage, ob es dementsprechend richtigen Egoismus gibt. Jemand kann etwas tun, das egoistisch wirkt, langfristig aber nicht nur der “egoistischen” Person sondern auch anderen hilft. Ist es dann wirklich egoistisch? Vielleicht sollte man, statt die Existenz von wahrem Altruismus infrage zu stellen, lieber altruistisches Verhalten fördern und Menschen dazu ermuntern, zumindest scheinbar Selbstloses zu tun.

Übersetzt aus dem Spanischen. Original: Rebekah Nerenberg, Psychologin bei CogniFit.

Referenzen:
“Altruism.” Merriam-Webster. Merriam-Webster, n.d. Web. 03 June 2017.

“Altruism.” Psychology Today. Sussex Publishers, n.d. Web. 03 June 2017.

“Why Do We Help Others? Reciprocal Altruism Explained.” Psychologist
World, https://www.psychologistworld.com/behavior/altruism. Accessed 4 June 2017.

“Empathy.” Psychology Today. Sussex Publishers, n.d. Web. 03 June 2017.

Farsides, Tom. “The psychology of altruism.” The psychology of altruism | The Psychologist. N.p., n.d. Web. 05 June 2017.

Gonzalez, Karin. “Altruistic Behavior: Definition & Examples.” Study.com. Study.com, n.d. Web. 04 June 2017.

Okasha, Samir. “Biological Altruism.” Stanford Encyclopedia of Philosophy. Stanford University, 03 June 2003. Web. 05 June 2017.