Emotionaler Missbrauch: Wie erkennt man ihn und was sollte man tun?
Obwohl er nicht so offensichtlich ist wie die körperliche Misshandlung, kann emotionaler Missbrauch große Schäden anrichten, die oftmals genauso schlimm oder sogar noch schlimmer sind. Emotionaler Missbrauch wirkt sich auf die Gefühle, Gedanken und das Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben aus. Psychische Gewalt kann dazu führen, dass man sich in seiner Umgebung, sogar zuhause, unsicher fühlt. Emotionaler Missbrauch kann Beziehungen oder Freundschaften und sogar die Beziehung zu sich selbst zerstören. In diesem Artikel wird erklärt, was emotionaler Missbrauch ist, wie dieser verhindert werden kann und wie man sich von ihm befreien kann.
Emotionaler Missbrauch ist meistens schwieriger zu erkennen als körperlicher Missbrauch. Körperliche Gewalt wird in den meisten Fällen von psychischer Gewalt begleitet. Sowohl die Opfer als auch die misshandelnde Person können eine Weile brauchen, bis sie bemerken was passiert, da es keine äußerlich sichtbaren Wunden gibt. Selbstverständlich gibt es aber Anzeichen, die helfen können psychische Gewalt und emotionalen Missbrauch zu erkennen.
In jeder Altersklasse und jeder Art von Beziehung kann es zu emotionalem Missbrauch kommen. Hervorzuheben sind Partnerschaften, aber auch in Freundschaften, auf der Arbeit (hier bekannt als Mobbing), zwischen Eltern und Kindern und in jeglicher Familienkonstellation kann es zu psychischer Gewalt kommen. Es sind sowohl Frauen als auch Männer betroffen und auch bei älteren Menschen kommt dies vor.
Emotionaler Missbrauch in der Kindheit kann schwerwiegende Folgen haben und stellt ein hohes Risiko für die psychische Entwicklung des Kindes dar. In Fällen von kindlichem emotionalem Missbrauch sollte immer und sofort professionelle Hilfe gesucht werden.
Was ist emotionaler Missbrauch?
Emotionaler Missbrauch zeichnet sich durch ein regelmäßiges Muster verbaler Angriffe, konstanter Kritik, Manipulation und weiteren ähnlichen Verhaltensweisen aus. Hierbei herrscht immer ein Ungleichgewicht zwischen Täter und Opfer. Der Täter ist in einer übergeordneten Position und verfügt über mehr Macht.
Im folgenden Video erklärt Kati Morton die fünf Anzeichen, mit denen sich emotionaler Missbrauch erkennen lässt. (Im Video lassen sich Untertitel aktivieren).
Um einen Fall von emotionalem Missbrauch zu erkennen, sind die folgenden Aspekte von Bedeutung. So verhält sich jemand Dir gegenüber, der psychische Gewalt ausübt:
Erniedrigung, Kritik
- Lacht in der Anwesenheit anderer über dich, oder macht sich über dich lustig.
- Verspottet dich, beschimpft dich und nutzt Sarkasmus um dich zu erniedrigen.
- Wenn du dich beschwerst, sagt er/sie dir, dass es “ein Witz war” und beschuldigt dich, dass du zu sensibel bist.
- Sagt dir, dass deine Meinung und Gefühle falsch sind.
- Ignoriert deine Gefühle, Meinung, Gedanken und Vorschläge.
Dominanz, Kontrolle
- Du fühlst, dass er/sie dich wie ein Kind behandelt.
- Korrigiert dich die ganze Zeit, weil dein Verhalten “unangemessen” ist.
- Du fühlst, dass du um Erlaubnis bitten musst, bevor du ausgehst oder eine kleine Entscheidung treffen kannst.
- Kontrolliert deine Ausgaben
- Behandelt dich, als wärst du schlechter als sie/er
- Gibt dir das Gefühl, dass er/sie immer Recht hat
- Erinnert dich ständig an deine Fehler
- Verachtet deine Erfolge, Ziele, Pläne und sogar deine Person.
- Seine/ihre Blicke und die Art mit dir zu sprechen sind missbilligend, herablassend und abwertend.
Anschuldigungen, Schuld
- Wirft dir Dinge vor, bei denen du weißt, dass sie nicht stimmen.
- Ist nicht in der Lage über sich selbst zu lachen.
- Ist sehr sensibel, wenn jemand ihn/sie verspottet oder einen Kommentar über ihn/sie macht, welcher respektlos erscheinen kann.
- Ist unfähig sich die eigenen Fehler einzugestehen oder sich zu entschuldigen.
- Hat nie die Schuld an irgendwas. Die anderen sind Schuld, er/sie trägt nie Verantwortung.
- Beschuldigt dich für seine/ihre Probleme oder die eigene Unglücklichkeit
- Überschreitet deine Grenzen und respektiert deine Bitten nicht.
Isolierung und emotionale Distanzierung
- Wird sauer oder entzieht dir seine/ihre Aufmerksamkeit und Zuneigung.
- Nutzt als Strafe den Entzug von grundlegenden Bedürfnissen oder die Vernachlässigung und Nachlässigkeit (das passiert vor allem gegenüber Kindern).
- Bemerkt nicht, oder interessiert sich nicht dafür, wie du dich fühlst.
- Zeigt keine Empathie und fragt nichts über dich oder wie es dir geht.
Co-Abhängigkeit
- Statt dich wie eine Person zu behandeln, behandelt er/sie dich, als wärst du Teil von ihm/ihr.
- Schützt deine persönlichen Grenzen nicht. Gibt Informationen über dich Preis, zu denen du nicht deine Erlaubnis gegeben hast.
- Respektiert deine Bitten nicht und macht das, was er/sie denkt, was das beste für dich ist.
Profil des Opfers
Es ist ganz wichtig hervorzuheben, dass ein Opfer emotionaler Misshandlung keinerlei Schuld daran trägt, misshandelt zu werden. Die Person hat sich das weder ausgesucht, noch genießt sie es abgewertet oder beschimpft zu werden.
Es ist jedoch der Fall, dass sich die Täter, wenn es Erwachsene sind, meistens Personen als Opfer aussucht, die bestimmte psychologische Eigenschaften haben. Sie nutzen die Leute aus, bei denen sie wissen, dass sie sich nicht wehren werden. Es gibt also eine Gruppe von Menschen, die anfälliger dafür ist, emotionalen Missbrauch zu erfahren. Es ist wichtig, dass wir das in uns selbst und den Personen in unserem Umfeld wahrnehmen, um uns und ihnen helfen zu können, eine mögliche Misshandlung zu erkennen, sich zu verteidigen und sie so zu vermeiden.
Die Personen haben oft einige der folgenden Eigenschaften:
- Sie haben oft ein niedriges Selbstwertgefühl
- Fühlen sich nicht in der Lage problematische Situationen zu bewältigen und haben eine geringe Selbstwirksamkeit.
- Neigen dazu von anderen abzuhängen, um Entscheidungen zu treffen.
- Sind häufig emotional abhängige Personen.
- Haben oft einen passiven Kommunikationsstil.
- Verteidigen ihre Rechte nicht und es fällt ihnen häufig schwer nein zu sagen.
- Beschuldigen sich oft für die Probleme anderer.
Profil des Täters
Selten sind sich die misshandelnden Personen wirklich darüber bewusst, was sie tun. Sie sehen es als normal an, so mit anderen umzugehen. Sie haben keine gesunden Bewältigungsstrategien gelernt, sondern reagieren schnell aggressiv. Sie haben gelernt auf diese Weise die eigenen Unsicherheiten und Ängste zu kompensieren. Indem sie die anderen misshandeln haben sie das Gefühl der Kontrolle, ein Gefühl, dass sie in anderen Lebensbereichen wahrscheinlich nicht verspüren.
Sie fühlen sich selbst unsicher, und sind deshalb darauf angewiesen, dass ihr Opfer komplett von ihnen abhängt. Jeden Akt des “Protests” sehen sie als eine Bedrohung für ihre privilegierte Situation an.
- Sind kontrollsüchtig, besitzergreifend und eifersüchtig.
- Haben eine niedrige Frustrationstoleranz.
- Beschuldigen andere für ihre Probleme.
- Sind sich in der Regel nicht darüber bewusst, welchen Schaden sie anrichten, wenn sie sich aber darüber bewusst sind, ist es ihnen egal.
- Haben wenig Empathie.
- Können ihre Emotionen schlecht regulieren.
- Können in verschiedenen Situationen sehr liebenswert und charmant sein.
- Häufig haben diese Menschen eine Persönlichkeitsstörung. Beispielsweise eine Borderline-Persönlichkeitsstörung, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung oder eine antisoziale Persönlichkeitsstörung.
Das sind Eigenschaften, welche die misshandelnde Person haben kann. Es ist aber wichtig hervorzuheben, dass alle Menschen unterschiedlich sind und deswegen die Profile der Menschen die emotional misshandeln, ebenso unterschiedlich sein können, wie die Personen selbst.
Folgen emotionalen Missbrauchs
Psychische Folgen
- Geringes Selbstwertgefühl
- Schuldgefühle
- Hilflosigkeit
- Trauer
- Reizbarkeit
- Depressionen
- Angst
Soziale Folgen
- Soziale Isolierung
- Verlust der Kontakte zu Freunden und Verwandten
- Verlust der sozialen und ökonomischen Unabhängigkeit
- Verringerte Leistung im akademischen Bereich und auf der Arbeit
Körperliche Folgen
körperliche Störungen, als Folge der Angst:
- Schlafstörungen
- Verdauungsprobleme und -beschwerden
- Kopfschmerzen
Emotionaler Missbrauch: Was tun?
Was sollte ich tun, wenn ich denke, dass ich jemanden misshandle?
Es ist schwierig sein Verhalten zu ändern, das über Jahre hinweg ausgeübt wurde und die einzige bekannte Art ist, mit anderen Menschen zu interagieren. Es ist wichtig zu wissen, dass niemand sich von heute auf morgen ändert, sondern eine Veränderung ein langer Prozess ist. Das Beste ist es, sich psychologische Hilfe zu suchen. Ergänzend können auch die folgenden Ratschläge helfen:
- Das allerwichtigste ist, zu erkennen was man gemacht hat und sich des angerichteten Schadens bewusst zu werden und als solchen anzuerkennen.
- Versuche aufzuhören Ausreden zu nennen und andere zu beschuldigen.
- Versuche den angerichteten Schaden wieder gut zu machen.
- Trage die Verantwortung, für das was du getan hast. Egal wie schlecht es dir ergangen ist oder wie hart dein Leben war, man hat die Wahl jemanden emotional zu missbrauchen oder es nicht zu tun.
- Entferne dich von der Person, die du missbrauchst zumindest so lange, bis ein Psychologe dir hilft, mit ihr auf gesunde Weise zu interagieren.
Was sollte ich tun, wenn ich denke, dass ich misshandelt werde?
- Sei dir darüber bewusst, dass sich die Täter nicht ändern werden, wenn sie keine professionelle Hilfe aufsuchen, auch wenn sie dir das immer wieder glaubhaft versichern.
- Umgib dich mit dir nahe stehenden Personen. Baue den Kontakt zu deinen Freunden und Verwandten wieder auf, wenn die misshandelnde Person dich von ihnen entfernt hat.
- Hör auf die Person zu verteidigen, zu entschuldigen und zu rechtfertigen. Sie selbst ist für ihr Verhalten verantwortlich.
- Entferne dich von der Person, die dich missbraucht. Brich den Kontakt ab. Diesen Schritt zu gehen ist vielleicht der schwierigste, aber er ist absolut notwendig. Eine schädliche Beziehung aufrechtzuerhalten führt zu nichts. Wenn du die Möglichkeit hast, spare Geld und suche dir einen eigenen Ort zum wohnen.
- Suche psychologische Hilfe auf, um dein Selbstwertgefühl zu stärken und die Kontrolle über dein Leben zurückzugelangen.
- Gib dir auf keinen Fall die Schuld für irgendetwas. Du hast keine Schuld dafür, dass er/sie dich misshandelt. Er/sie behandelt dich schlecht, weil er/sie nicht sich selbst schlecht behandeln kann, obwohl das eigentliche Problem in ihm/ihr liegt.
Emotionaler Missbrauch: Wie kann man ihn vorbeugen?
Emotionaler Missbrauch beziehungsweise psychische Gewalt ist eine Form der “Gehirnwäsche”, die Schritt für Schritt den Selbstwert und das Selbstvertrauen des Opfers zerstört. Dadurch kommt es zu emotionalen Narben und emotionalen Schmerzen und Leiden. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dagegen anzukämpfen und ihn zu verhindern. Es ist wichtig das eigene Selbstwertgefühl und das der eigenen Kinder zu pflegen. Die eigenen Sozialkompetenzen zu verbessern und Selbstbehauptungstechniken unseren Kindern schon von klein auf beizubringen, kann helfen emotionalen Missbrauch von vorne herein zu vermeiden.
Übersetzt aus dem Spanischen. Original: Andrea García Cerdán, Psychologin bei CogniFit.
Psicóloga General Sanitaria, experta en terapia sexual y de pareja. Ayudo a mejorar la calidad de vida de las personas mediante terapia psicológica y la comunicación a través de la red.